«Leitfigur moderner finnischer Handwerkskunst»
Tapio Wirkkala war Innenarchitekt, Grafiker und ein sehr erfolgreicher Industriedesigner. Von Skulpturen, Möbeln, Kunst und Glas bis hin zur Gestaltung von Banknoten und Stadtplanungen wirkte er mit seinen kreativen Designkonzepten. Trotz seines großen Ruhms, den er im Laufe seiner vielseitigen Karriere erlangte, blieb er ein Einsiedler in der Natur, aus der er unzählige Ideen schöpfte.
Leben und Werke des berühmten finnischen Designers Tapio Wirkkala (1915 bis 1985)
Tapio Wirkkala wurde 1915 in Hanko, der südlichsten finnischen Stadt als Sohn von Selma und Ilmari Wirkkala geboren. In den 1920er Jahren zog er gemeinsam mit seinen Eltern und seinen jüngeren Schwestern nach Helsinki. Hier wurde in der Grundschule bereits sein zeichnerisches Talent ersichtlich, sodass er später von 1933 bis 1936 Bildhauerei an der Central School of Arts and Crafts studierte.
In den Folgejahren nach seinem Studium arbeitete er als Bildhauer, Grafik- und Industriedesigner.
Im Jahre 1945 heiratete er die Künstlerin Rut Bryk. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor. Ein Jahr später trieb ein von Iittala ausgelobter Designwettbewerb seine Karriere erst richtig voran. Zusammen mit Kaj Franck erhielt er den ersten Preis. Daraus resultierte eine Anstellung als künstlerischer Leiter und Glasdesigner bei der Manufaktur Iittala, die durch seine Entwürfe und die von Alvar Aalto auf internationaler Ebene bekannter wurde.
Die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Firma hielt sein Leben lang an. Hier machte er sich besonders mit organisch-skulpturalen Entwürfen wie die mundgeblasene Kantarelli-Vase einen großen Namen. Ebenso bekannt aus jener Zeit sind seine blätterförmigen Holzschalen („Leaf dishes“). Die aus geschnittenem und laminiertem Schichtholz bestehenden Holzschalen wurden vom Magazin House Beautiful zu den schönsten Objekten des Jahres gewählt.
- Von 1951 bis 1954 wirkte der finnische Künstler auch an der Zentralen Schule für Industriedesign in Helsinki als künstlerischer Leiter. Mit seinen Entwürfen nahm er in diesem Zeitraum an den Triennalen in Mailand teil, bei denen er insgesamt drei Goldmedaillen gewann.
- Von 1955 bis 1956 arbeitete er als Designer für Raymond Loewy in New York und 1956 als künstlerischer Leiter in einem Designstudio von A. Ahlströms in Helsinki. Erst im Jahr 1966 eröffnete er sein eigenes Designstudio.
Durch die Zusammenarbeit mit Raymond Loewy, der ihn bei Philip Rosenthal vorstellte, ergab sich eine weitere Karriereoption: eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Manufaktur Rosenthal, die mit seinen Tütenvasen berühmt wurde.
Zu seinen Glas-, Porzellan- und Besteckentwürfen zählen Taille, Kurve, Century, Variation, Composition und Polygon. Die Serie Variation befindet sich heute in der Sammlung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York. Sein Service Century ist in der ständigen Sammlung zeitgenössischen Designs im Centre Georges Pompidou in Paris zu finden.
Die Arbeiten des großartigen finnischen Designers wurden auch in der Abteilung Industrial Design auf der documenta III 1964 in Kassel gezeigt.
- 1968 wurde er für die Rosenthal Porzellanserie Rotunda mit der Medaglia d’Oro ausgezeichnet.
- 1972 erhielt er die finnische Auszeichnung Taiteen akateemikko (Akademiker der Kunst).
Nordfinnische Natur: Inspiration und Vorbild für Wirkkala
Für den Künstler und seine Frau war die kühle nordfinnische Landschaft eine zweite Heimat, in der viele Klassiker entstanden. Die Fauna und Flora der wunderschönen Natur inspirierten Tapio zu Silberschalen in organischen, klaren Formen und Glasgefäßen in atemberaubender Eisoptik. Sie stehen nicht nur beispielhaft für finnisches Design, sondern für das gesamte internationale Design in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Seine Philosophie war die Ruhe und Abgeschiedenheit der klaren, finnischen Natur, der kreative Kräfte und überwältigende Inspirationen innewohnen. So wollte er trotz seines internationalen Ruhms ein Einsiedler im Gleichklang mit der Natur bleiben. Die Designs von Tapio wollen dies zum Ausdruck bringen.
Weit entfernt von jeglicher Zivilisation, in den Tiefen des mittelfinnländischen Waldes, befand sich sein Lieblingsplatz. Hier konnte er sich ohne Ablenkungen von den Elementen und der Ursprünglichkeit der Natur inspirieren lassen. Niemand konnte ihn mit dem Auto erreichen, sodass Prototypen mit dem Hubschrauber zu ihm gebracht werden mussten.
Neben Glasmaterialien beschäftigte er sich auch mit Porzellan, Holz und Metall. Manchmal auch mit Kunststoff und Papier. Doch von allen Materialien faszinierten ihn Glasmaterialien auf ganz besondere Weise – vor allem ihre optischen Eigenschaften, speziell die Brechung des Lichtes.
Muranoglas und die Tradition der Glasbläser von Murano inspirierten ihn zu farbintensiven Werken wie die Serien Bolle und Coreana, die erst im Jahr 2012 um einige Farben erweitert wurden.
Ultima Thule von Iittala: Himmel, Eis und Wasser
Eines seiner berühmtesten Werke ist die Glasserie von Iittala Ultima Thule, die durch ihre spezielle Eisoptik von einer geheimnisvollen Aura umgeben ist. Für die Erschaffung der Kollektion wurde Tapio Wirkkala von den schneebedeckten Inseln im Norden Lapplands inspiriert, von denen nur Rinnen und Furchen zurückbleiben, sobald das Eis im Frühling beginnt zu schmelzen.
In Tausenden Stunden wurde die charakteristische Form von herunterlaufenden Wassertropfen geschaffen, die die wilde Natur im äußersten Norden widerspiegelt. Die Mattierung der Gläser erfolgte direkt während der Formgebung, sodass hier die besondere Kraft finnischer Glasarbeiten zum Ausdruck kommt. Da das flüssige Glasmaterial die hölzernen Modelle bei jedem Fertigungsprozess in einer leicht veränderten Bahn umschließt, ergeben sich Einzelstücke besonderer Schönheit.
Die Ultima Thule Kollektion umfasst neben Weißwein-, Rotwein-, Champagner-, Schnaps- und Whiskygläsern auch Bierkelche, Trinkgläser, Schüsseln, Schalen und Karaffen und in limitierter Auflage sogar Baumkugeln.
Iittala erweiterte zum 100. Geburtstag von Wirkkala die Serie mit einem Krug, einem robusten Bierglas, einem Sektglas und zwei Tellern in verschiedenen Größen. Alle Stücke der wie aus Eis gehauenen Glaskollektion stehen auf Tropfen, die herabperlenden Wassertropfen ähneln. Ihr Anblick zelebriert unendliche Weite, Klarheit und Ruhe – typische Tugenden der nordischen Natur.
Iittala Tapio: schlicht und elegant mit freischwebender Luftblase
Die Schnörkellosigkeit der Tapio Glasserie, die der Künstler im Jahr 1954 für die Iittala Glaswerke entwarf, ist typisch finnisch und spiegelt die schlichte Eleganz nordischen Designs wider.
In die Tapio Serie hat der Glasdesigner und Künstler, der eine außergewöhnliche Sensibilität für Werkstoffe besaß, den natürlichen Fluss des heißen Glases in die Formgestaltung der Stücke eingearbeitet.
Das Besondere an der Glaskollektion ist die eingeschlossene Luftblase, die mit einem in den heißen Glasfuß gedrückten feuchten Holzstab eingebracht wird. Sie verleiht den Bier-, Weißwein-, Süßwein- und Rotweingläsern der Kollektion eine individuelle Note.